Eine Südtiroler Karriere in Berlin

Die Pandemie bedingte Krise 2020 birgt auch eine Chance. Sie kann uns von der Vorstellung befreien, dass urbanes Leben absolut von Kommerz in den Erdgeschossen abhängig ist und die Fußgängerzone ein urbaner Idealtypus sei. Das „Handeln“ Wollen des Menschen meint die Möglichkeit zu Agieren. Sein sich Bestätigen Wollen ist seit der Sesshaftwerdung des Homo Sapiens auf gebaute Umwelt und gebauten Raum angewiesen.

Dieser vorauszusetzende Raum, insbesondere die hier angesprochene, für die Lebendigkeit eines Ortes entscheidende Erdgeschosszone ist zu teuer, beziehungsweise steht in keinem Verhältnis zu der Betriebsamkeit, die sie positiv erzeugen kann. Die Gründe für eine Monotonisierung liegen noch nicht weit zurück. Im Zuge der Segregation der Funktionen, wie von der Charta von Athen propagiert die heute noch immer die Regelungen in den Bauordnungen bestimmt, stadttaugliche Kleinteiligkeit abhandengekommen. In Konsequenz gibt es nur noch kommerzielle Flächen, die – bei Gewinnmaximierung pro Quadratmeter Verkaufsfläche – dem Vertrieb von zumeist obsoleten Massenkonsumgütern dienen. Es gibt aktuell eine Chance, diese negative Entwicklung zu durchbrechen. Was diese Erdgeschosszonen vor allem brauchen, ist Geschäftigkeit, sind Handlungsräume. Das sind nicht zwingend Einzelhandelsgeschäfte, sondern Flächen, auf denen möglichst viel Attraktives passiert. Und diese Flächen sollten für alle erschwinglich sein, die bereit sind, unter ökologischen Gesichtspunkten persönlich etwas zu machen, etwas zu produzieren, wovon sie gut leben können, ohne dass in erster Linie die sogenannte ortsübliche Miete erwirtschaftet werden muss. Von der eigenen Hände Arbeit leben, ohne dass fünf Monate für die Miete und fünf Monate für die Steuer gewirtschaftet werden muss.

Der Immobilieneigentümer, den es immer noch geben wird, braucht dabei nicht zwingend auf seine Rendite zu verzichten. Der Clou läge darin, dass die Erdgeschossflächen, die für 1 symbolischen € pro Referenzeinheit (qm, Monat, geleisteter Dienst, verkauftes Produkt, geschaffenes Kunstwerk, etc.) vermietet werden, als Bonusvolumen beim Baugesuch geltend gemacht werden. Wie viele selbstbestimmte, kreative Arbeitsplätze könnten darüber wohl generiert werden? Für eine StartUp-Kultur könnte das ein Katalysator sein. Die Stadt braucht den Menschen auf der Gasse, auf Straßen und Plätzen. Dort passieren die notwendigen Handlungen einer städtischen Zivilgesellschaft. Es ist nicht das Shoppen in den gebauten Hüllen.

 

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